Schadensregulierung und Haftungsvermeidung im Kaufrecht
Mit dem „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2018 das Kaufrecht in zentralen Punkten weitgehend reformiert. Die Auswirkungen dieser Reform spielen derzeit in der Beratungssituation eine wichtige Rolle.
Ursprünglich geplant war dabei lediglich die Kodifikation des infolge der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Weber-Putz“ ohnehin bereits schon geltenden Rechts, wonach der Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf im Falle der Nacherfüllung auch (verschuldensunabhängig) für die Kosten des Ein- und Ausbaus der mangelhaften Kaufsache beim Käufer aufkommen muss. Doch während der Beratungen im Gesetzgebungsverfahren verschafften sich Vertreter von Handwerksverbänden Gehör, die in ihrer Rolle als Unternehmer ebenfalls im Wege der Nacherfüllung bei ihren Lieferanten Regress nehmen wollten, wenn sie bei diesen mangelhaftes Material erhalten hatten und aufgrund der werkvertraglichen Erfolgshaftung nun die Kosten des Ein- und Ausbaus tragen mussten.
Damit wurde das ohnehin schon beträchtliche Haftungsrisiko von Verkäufern weiter verschärft, was gerade bei mittelständischen Unternehmen schlimmstenfalls sogar existenzgefährdend wirken kann. Dies kann anhand folgenden Überblicks über potentielle verschuldensunabhängige Haftungskonstellationen bei einer Mangelleistung verdeutlicht werden:
- Gem. § 439 II BGB hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen, gegenüber Verbrauchern nach § 475 VI BGB sogar als Vorschuss. Bereits diese Position kann, je nach Inhalt und Umfang des Kaufvertrags, gewaltige Kosten verursachen. Der Bundesgerichtshof fasst unter § 439 II BGB außerdem die sog. Mangelerforschungskosten, also etwa die Kosten zur Beauftragung eines Sachverständigen zur Überprüfung der tatsächlichen Mangelhaftigkeit der Kaufsache.
- Gem. § 439 III BGB hat nun jeder Verkäufer (egal ob B2B, C2C oder B2C!) im Falle eines Sachmangels die Kosten für den Ein- und Ausbau der bestimmungsgemäß eingebauten oder angebrachten Kaufsache zu tragen. Eine Haftungsbeschränkung der Höhe nach sieht § 475 V 2 BGB lediglich im Bereich von B2C vor. Von dieser Regelung darf im Verhältnis B2C gar nicht, im Übrigen lediglich individualvertraglich abgewichen werden, vgl. § 309 Nr. 8 b bb) BGB.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die Verkäufer einer nahezu unbegrenzten, verschuldensunabhängigen Haftung ausgesetzt, gegen die er sich nur schwer absichern kann. Man stelle sich nur vor, ein Zulieferer in der Automobilbranche liefert schuldlos defekte Zylinderkopfdichtungen und müsste nun für den Austausch bei sämtlichen Kfz aufkommen, in welchen die defekte Dichtung verbaut wurde.
- § 445a BGB enthält eine umfassende Regressvorschrift, deren Anwendungsbereich sich nun nicht mehr auf den Verbrauchsgüterkauf am Ende der Lieferkette beschränkt. Grundsätzlich soll daher letztlich derjenige wirtschaftlich für den Schaden aufkommen, der die mangelhafte Ware zu verantworten hat. Auch die Regelung zum Regress enthält jedoch potentielle Risiken, die am Ende dazu führen können, dass ein Händler auf dem Schaden „sitzen bleibt“, obwohl er die Kaufsache bereits mangelhaft erworben hat. Zum einen bleibt die kaufmännische Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB unberührt. Soll heißen: hat ein Kaufmann seine Ware nicht in Gemäßheit des § 377 HGB rechtzeitig untersucht und eventuelle Mängel ordnungsgemäß gerügt, gilt die Ware als genehmigt und er kann im Verhältnis zu seinem Lieferanten keine Ansprüche geltend machen.
Darüber hinaus gilt die Regressvorschrift nicht, wenn im Rahmen einer Wertschöpfungskette – wie dies meistens der Fall ist – infolge Verarbeitung eine neue Sache hergestellt wird.
Für den Unternehmer bedeutet dies, dass er sich im Idealfall bereits im Vorfeld anwaltlich beraten lassen sollten, damit im Rahmen des Mandats gemeinsam Strategien zur Haftungsvermeidung und -begrenzung entwickelt werden können. So wäre beispielsweise für die Ein- und Ausbaukosten im B2B-Bereich ein Ansatzpunkt zur individualvertraglichen Haftungsbeschränkung, aus dem Anwendungsbereich des AGB-Rechts zu gelangen, etwa durch ein Aushandeln der Klausel im Einzelfall (§ 305 I 3 BGB). Hier sind die Anforderungen der Rechtsprechung jedoch äußerst streng.
Aber auch im Nachhinein gibt es bei rechtzeitiger Hinzuziehung eines anwaltlichen Beraters noch zahlreiche Ansätze, den Schadensfall zu regulieren. Viele Rechtsfragen des neuen Kaufrechts sind auch noch nicht höchstrichterlich entschieden, sodass hier durch entsprechende Argumentation die Rechtslage konstruktiv mitgestaltet werden kann.