18. Mai 2021

Pressemitteilung

zum heute veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April über den Antrag auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung zur Durchsetzung des PSPP-Urteils

Dr. Peter Gauweiler und sein Prozessvertreter Professor Dr. Dietrich Murswiek erklären zum heute veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts:

Auf unsere und andere Verfassungsbeschwerden hatte das Bundesverfassungsgericht am 5. Mai 2020 entschieden, dass die EZB ihre geldpolitische Kompetenz überschritten habe, indem sie das Staatsanleihenankaufprogramm PSPP ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung beschlossen und durchgeführt hat. Die Bundesregierung habe die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 38 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 1 und 2 GG verletzt, indem sie es unterlassen habe, geeignete Maßnahmen gegen diese Kompetenzüberschreitung zu ergreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher der Bundesbank untersagt, an der Durchführung des PSPP weiter mitzuwirken, „wenn nicht der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziele nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen.“ Die dafür vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist ist am 5. August 2020 abgelaufen.

Da die EZB bis zum Ablauf dieser Frist den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Beschluss über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht gefasst und auch nicht auf andere Weise die Durchführung einer den Anforderungen des Urteils entsprechenden Verhältnismäßigkeitsprüfung nachgewiesen hat, haben wir mit Schriftsatz vom 7. August 2020 einen Antrag auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung gestellt, über den das Bundesverfassungsgericht jetzt entschieden hat.

Indem das Bundesverfassungsgericht jetzt die Anträge auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung für unzulässig erklärt und keine eigene Sachprüfung vorgenommen hat, lässt es die Nichtbeachtung seines Urteils durch die EZB, die Bundesregierung und den Bundestag ungerügt. Nur die völlige Untätigkeit der EZB und der deutschen Staatsorgane hätte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg eines Antrags auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung führen können. Da aber der EZB-Rat über die Frage der Verhältnismäßigkeit geredet und sie bejaht hat, ohne allerdings eine substantielle Prüfung durchzuführen und darzulegen, und indem Bundesregierung und Bundes-tag dies akzeptiert haben, ist das Bundesverfassungsgericht der Auffassung, damit sei ein neuer Sachverhalt gegeben, über den nicht im Vollstreckungsverfahren entschieden werden könne.

Mit anderen Worten: Wenn die Staatsorgane ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht befolgen, können die betroffenen Beschwerdeführer sich – außer im Falle völliger Untätigkeit – dagegen nur mit einer neuen Verfassungsbeschwerde wehren. So kann ein Kreislauf immer neuer Verfassungsbeschwerdeverfahren in Gang gesetzt werden, der sich in sich selbst dreht, ohne das Recht durchzusetzen.

Wir werden uns durch diese Entscheidung aber nicht davon abbringen lassen, erneut Demokratie und Rechtsstaat vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen, wenn Bundesregierung und Bundestag ihre Pflicht verletzen, die Grundsätze der Demokratie, die Kompetenzen der Mitgliedstaaten und speziell der nationalen Parlamente und damit auch die Rechte der Wähler gegen Anmaßungen der EU-Organe zu verteidigen. Wir erinnern daran, dass das Bundesverfassungsgericht mit wegweisenden Entscheidungen diesbezüglich der Politik Grenzen aufgezeigt und die Staatsorgane in Pflicht genommen hat, insbesondere im Lissabon-Urteil, in den Urteilen zum „Euro-Rettungsschirm“, zum ESM, zum OMT-Programm und zuletzt zum PSPP. Die Entleerung der Entscheidungsbefugnisse des Bundestages wäre schon viel weiter fortgeschritten, wenn wir diese Entscheidungen nicht erstritten hätten.
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